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Weiter ohne Gericht und Anwalt? Ein Plädoyer für die Rechtsberatung.

Die Familiengerichte sind überbelastet. Dies ist nach zahlreichen Reformen im Familienrecht, insbesondere im Kindschaftsrecht tatsächlich zu beklagen. Die Lösung, die immer wieder in der Diskussion darüber gesehen wird, dass einvernehmliche Ehescheidungen vor dem Standesamt durchgeführt werden können, ist jedoch kritisch. Der Gesetzgeber hat mit guten Gründen nicht nur festgelegt, dass eine Sonderzuständigkeit, nämlich die der Familiengerichte in Ehesachen gegeben ist. Er hat auch das sogenannte Verbundverfahren vorgegeben, um sicherzustellen, dass mit der Ehescheidung auch die wesentlichen wirtschaftlichen Belange der Ehegatten (Ehewohnung, Vermögensauseinandersetzung, Unterhalt, Rentenabsicherung) mit entschieden werden. Die Entscheidung über die Teilung der Rentenansprüche ist dabei zwingend. Eine von der gesetzlichen Vorgabe abweichende Regelung bedarf der Beurkundung.

Auch dann, wenn die Trennung im Einvernehmen erfolgt und sich die Ehegatten prinzipiell verständigen wollen, gibt es widerstreitende Interessen. Eine Verständigung beispielsweise über zu zahlenden Trennungsunterhalt hat für beide Beteiligten wesentliche Bedeutung, die ohne anwaltliche Beratung nicht überschaut werden kann. So gilt beispielsweise der Grundsatz, dass eine Abänderbarkeit von Unterhaltsvereinbarungen nur dann möglich ist, wenn wesentliche Änderungen zu dem Zeitpunkt der getroffenen Vereinbarung eingetreten sind. Ist einer der Ehegatten davon ausgegangen, dass nur eine kurze Zeit der Trennung bis zur Ehescheidung verstreichen wird, dies aber nicht der Fall ist, bleibt eine langjährige Bindung, die er nicht wollte. Wird eine Teilvereinbarung als unfair empfunden, kommt es nachträglich zu Auseinandersetzungen, die bei einer umfassenden Beratung und Diskussion der Rechtsfolgen mit dem Ziel einer Gesamtvereinbarung nicht eingetreten wären.

 Der Gesetzgeber hat wegen der erheblichen Bedeutung für den Abschluss einer Trennungs- und Scheidungsfolgevereinbarung als Wirksamkeitskriterium die gerichtliche Protokollierung vorgeschrieben. Auch dies zeigt, dass nicht ohne weiteres angenommen werden kann, dass die Ehegatten in der Lage sind, ihre vermögensrechtlichen Angelegenheiten ohne juristischen Rat zu klären. Fragen, welche Ausgabe bei der Unterhaltsberechnung maßgeblich sind, wann und wie lange Unterhaltszahlungen in welcher Form (Elementarunterhalt, Kranken- und Altersvorsorgeunterhalt) zu erbringen sind, welche Unterhaltsberechtigten im Vorrang stehen, welche Auswirkungen das Verbleiben in der Ehewohnung hat, unter welchen Gesichtspunkten die Beteiligung an Darlehenszahlungen erfolgen müssen, welche Vermögenszuwächse in der Ehe ausgleichspflichtig sind, etc. können Ehegatten ohne weiteres  nicht selbst beantworten. Die rechtliche Beratung über sämtliche Folgesachen ist vielmehr die Grundlage dafür, sich im Einvernehmen auseinanderzusetzen. Der Gang zum Standesbeamten liegt nicht im Interesse der Ehegatten und wird auch nur in wenigen Ausnahmefällen wirklich günstiger sein, als die Beratung und Vertretung durch einen im Familienrecht qualifizierten Anwalt und die Verständigung unter juristischer Vermittlung. Internetwerbungen, die eine kostengünstige „Online-Scheidung“ versprechen, sind zu hinterfragen. Alle Rechtsanwälte  sind an Honorarvorgaben des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes als Mindesthonorar gebunden.

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